In Dundee ist eigentlich immer strahlender Sonnenschein, auch im Winter, aber jetzt riecht es auch noch nach Frühling überall! Meine These habe ich abgegeben, meine Doktorandenstelle in der Tasche, es könnte nicht besser laufen! Aber mal der Reihe nach: Nach meiner großen Depression die eigentlich bis Mitte Februar anhielt, geht es jetzt endlich bergauf. Ich wusste, dass es hart wird eine Stelle in London zu bekommen, aber wenn nach 10 Bewerbungen noch nicht mal ein einziges Bewerbungsgespräch drin ist, dann frustriert es einfach unvorstellbar und man zweifelt an sich selbst, alle meine Zukunftpläne lagen auf Eis und ich war wirklich rund um die Uhr angespannt, jeden Abend das Internet nach neuen Stellen durchforsten… Dann plötzlich passierte etwas, ich hatte mich für eine Stelle von Leukemia Research UK am Imperial interessiert und mich direkt beim Supervisor beworben, 2 Wochen vor Ende der Bewerbungsfrist. 2 Tage nachdem ich meine Bewerbung versendet hatte bekam ich eine Antwort, man sei an mir interessiert und würde gerne Referenzen anfragen, diese Referenzen gingen noch am gleichen Tag bei dem Betreuer ein. 2 Tage später bekomme ich eine Einladung zum Vorstellungsgespräch, aber jetzt wird es kompliziert… ich hatte mich schon zuvor auf 2 andere Themen im gleichen Fachbereich beworben und aus der Einladung ging nicht im geringsten hervor wofür ich denn in die Bewerbungsgespräch-Arena zitiert würde, viel Verwirrung und einige Telefonate später stellte sich heraus, dass die Einladung sich auf meine zuvorige Bewerbung bezog, seltsam bleibt, dass von dieser Stelle nie eine Referenz angefordert wurde.
Einige Tage später, aber immer noch vor Bewerbungsfristende für die Leukemia Research Stelle, bekomme ich auch von diesem Projekt eine Einladung zum Vorlesungsgespräch und jetzt folgt eine Darstellung 2er Bewerbungsgespräche, die wahrscheinlich kaum in extremeren Formen vorzufinden sind.
Bewerbungsgespräch 1 (nicht-Leukemia Research):
Einladung zum Bewerbungsgespräch via Sekretärin und zwar nicht die, die die Bewerbung ursprünglich erhalten hatte, keine Angabe von dem dazugehörigen Thema. 30-Minuten Kreuzverhör mit 3 Professoren im Keller, Abfertigung wie am Fließband, Anordnung der Stühle wie im Gerichtssaal, nach 20 Minuten später war ich schon wieder auf dem Weg zur Tubestation und das beste: Die Betreuer bei denen ich mich beworben habe, habe ich nie zu Gesicht bekommen, niemand konnte mir fragen zum Projekt beantworten, es ging nur um das Stipendium, was dieses Stipendium beeinhaltet, weiß ich bis heute nicht.
Bewerbungsgespräch 2; Leukemia Research:
Bewerbung direkt an den Supervisor gesendet und auch persönlich Antworten erhalten, Einladung zum Bewerbungsgespräch erfolgte noch vor der Bewerbungsdeadline und die Einladung an sich war sehr außergewöhnlich. Man würde mich gerne einladen “um mir etwas über das PhD Projekt zu erzählen, mir das Department und die Labore zu zeigen und wäre daran interessiert zu sehen was ich in meinem Projekt in Dundee so gemacht hätte”, das Wort “Bewerbungsgespräch”, hat bis zum heutigen Tag niemand der beiden Betreuer in meiner Gegenwart erwähnt, da war ich wirklich sehr beeindruckt!!! Mit meiner These unter dem Arm trudelte ich also viel zu früh in der Uni ein, 2 Minuten später fing es an zu schütten wie aus Eimern, aber mein Outfit war gerettet 😉 . Ich wurde am Empfang eingesammelt und ins Department gebracht, vom Supervisor höchst persönlich natürlich. Dort setzten wir (2 Betreuer und ich) uns dann in einen Seminarraum, ich breitete meine Ergebnisse aus und erzählte den Herren aus den Forschungsfeldern Leukemie und Gen Therapy von meinen Schleimpilzen, groteske Vorstellung und genau so seltsam fühlte es sich auch an. Dann wechselten wir das Thema zum eigentlichen PhD Projekt, was heißt wir wechselten das Thema, ein Betreuer fing an mir zu erklären worum es ging, er erklärte mir was B Lymphozyten sind und fragte ob ich denn wisse in welcher Immunreaktion diese eine Rolle spielen, eigentlich kaum zu glauben. Ich kannte alle Publikationen der Gruppe auswendig und hatte den kompletten Janeway wiederholt und er fragt mich sowas… Dann erklärte er mir das Molekül um das sich die Forschung im Labor dreht und was ein transcription factor ist, ich bekam das Bedürfnis ihm den Stift aus der Hand zu nehmen und ihm die kompliziertesten Signalwege um Bcl-6 die ich doch alle auswendig konnte quer über seine B Lymphozytenzeichnung zu malen… aber ich beherrschte mich. Ich stellte noch eine Reihe von Fragen und dann bekam ich eine Führung durch die Labore und über den Hammersmith Campus, soviel Aufwand für ein Interview… soviel Aufwand für mich! Am Ende der Führung bedankte ich mich für diese Besondere Art von Bewerbungsgespräch, der Betreuer war erfreut, dass ich alle diese Besonderheiten bemerkt hatte. Wie in Trance fuhr ich heim und mein einziger Gedanke war, oh mein Gott, diese Stelle willst du unbedingt haben. Ich war nicht sehr zufrieden mit dem Verlauf, weil ich das Gefühl hatte keine Gelegenheit bekommen zu haben mein komplettes Potential gezeigt zu haben und dann entschied ich mich ihnen noch eine Email zu schicken. Ich bedankte mich noch einmal schriftlich für dieses außergewöhnliche “Treffen” und stellte noch ein paar interessierte Fragen, die mir auch umgehend beantwortet wurden. 4 Tage später bekam ich eine Email, meine Atmung versagte, ich fing an zu zittern und es brauchte einige Minuten bis die Wörter vor meinen Augen einen Sinn ergaben… “We enjoyed meeting you last week and would like to offer you the PhD Studentship.” Was danach passierte weiß ich nicht mehr so genau, ich war einfach überwältigt, hyperventilierte, zog genervte Blicke in der Bibliothek auf mich, fing an zu weinen…
Bewerbungsgespräch 1 bot mir die Stelle, was auch immer es für eine Stelle ist, auch noch an, aber es war sofort klar für mich, dass ich diese Stelle nicht in Erwägung ziehen würde.
Wenn ich nach 10 Bewerbungen und 2 Vorstellungsgesprächen schon Tipps geben kann, dann sind es folgende:
– Standardformulierungen sind nicht immer die besten, seid seriös, aber auch anders als alle anderen
– auch wenn nur ein Lebenslauf und Namen von Referees angefragt werden, schreibt eine Email im Anschreibenformat und packt etwas Besonderes mit rein, etwas außergewöhnliches und damit meine ich nicht nur soziale Kompetenz sondern etwas speziell für diese Stelle zugeschnittenes, etwas das unter keinen Umständen eine Standardformulierung für alle Bewerbungen sein kann die ihr schreibt
– seid vorbereitet auf Fragen wie “was sind aktuelle Erungenschaften in der Forschung und wie werden diese die Zukenft verändern?” (Cancer Stem Cells passt hier fast immer 😉 , also unbedingt Wang and Dick 2005 lesen), “wo siehst du dich in 10 Jahren?”
– setze dich NICHT zwischen deine 2 Interviewer, es bereitet dir Nackenprobleme und macht keinen guten Eindruck
– ein schriftliches “Danke” nach dem Interview, geschmückt mit ein paar interessierten Fragen mag vielleicht das Zünglein an der Waage sein!
Schon aufregend, was unsere kleine FH uns doch für Türen in der Welt öffnen kann…